Mittwochmorgen, kurz vor 8 Uhr in Deutschland. Mit quietschenden Reifen fährt der Kleinwagen einer Lehrkraft der Willy-Brandt-Gesamtschule auf dem Lehrerparkplatz ein (die Lehrkraft scheint kein Freund des frühen Aufstehens zu sein…). Wenige Minuten später betritt der Deutsch-LK 2 den Klassenraum. Nun ja, zumindest Teile davon. Die Lehrkraft nimmt, extrem müde blickend und noch etwas gehetzt atmend, am Pult Platz und holt das Kursbuch hervor, leiht sich wie immer einen Stift (Können Lehrer es sich eigentlich nicht leisten, für eigenes Schreibmaterial zu sorgen?) und trägt die fehlenden SchülerInnen ein. Zeitgleich sieht man durch das Fenster einige der soeben eingetragenen SchülerInnen auf das Gebäude zueilen (nun ja, „eilen“ beschreibt die Schrittgeschwindigkeit mancher dieser Schüler nur unzureichend). Das war klar, die meisten der Eintragungen muss die Lehrkraft wieder löschen, sollte halt einfach mal etwas geduldiger sein. Das alte „Der Letzte bringt den Müll raus“-Spiel beginnt: Jeanne gibt, von allen anderen Zuspätkommern unbemerkt, Gas und holt ohne Mühe von hinten auf, Marcel zieht urplötzlich mit atemberaubender Geschwindigkeit links an allen vorbei, auch Martin schaltet nun den Turbo ein, und fast immer heißt es: „And the winner is... Dele!“ „Würdet Ihr bitte die Taschen vom Tisch stellen?“ – ewig dieselbe Leier, so langsam könnte der Lehrkraft auch mal was Neues einfallen. Nachdem der LK Deutsch 2 nun komplett ist, wird der allseits bekannte Umschlag mit Zettelchen hervorgeholt. Allgemeines Aufstöhnen: „Boah, schon wieder Gruppenarbeit!“ Einige Minuten später haben sich fast alle Gruppen gefunden. Nur vereinzelt sieht man noch SchülerInnen, die ein wenig planlos wirken. „Wen soll ich suchen? Was soll ich machen? Wer bin ich? Wen muss ich finden?“ Auch denen wird geholfen, denn beherzte SchülerInnen nehmen sie an die Hand und führen sie ihrer Gruppe zu. Nun denn, also los, jetzt kann gearbeitet werden. Leider ist es nun mal so, dass jede Gruppenarbeitsphase ein Ende hat. Der Kurs soll sich wieder im Plenum zusammenfinden. Genervte Nölerei von allen Seiten: „Nee, noch nicht, wir brauchen noch ein paar Minuten!“, „Ja ja, wir sind gleich soweit, Moment noch!“, „Wir müssen nur noch diesen einen Satz…!“ (Warum immer in ganzen …?) Irgendwie gelingt die Zusammenführung trotz des Gemaules, der Kurs sitzt wieder komplett im Klassenraum und die erste Gruppe kann ihr Ergebnis präsentieren. Gruppe 1 hat mit einem lockeren „Das war’s!“ die Präsentation beendet, der Rest will Stellung nehmen. „Also, ich finde, dass … Man muss jedoch zugeben, dass … Allerdings sollte auch in Betracht gezogen werden, dass ...“ – „Jeanne, sei ruhig jetzt, wir wollen auch mal!“ – „Wer geht eigentlich gleich Kaffee holen?“ – „Au ja, mir bitte auch!“ – „Mir auch!“ – „Und mir Kakao!“ – „Und ich will jetzt mal rauchen.“ Hm, akuter Koffeein-und Nikotinentzug scheint ein weiteres Unterrichtsgespräch unmöglich zu machen, also ---- PAUSE. --- Auch eine Pause hat mal ein Ende. Ein Teil des Deutschkurses sitzt bereits im Raum, Gäste aus dem Sowi-LK sind auch noch zugegen, dann trudeln die Raucher gemäßigten Schrittes ein, die Kaffee-und Kakaoholer stehen allerdings offenbar noch in der Schlange. Doch wenige Minuten später sind wir wieder komplett. Gruppenergebnisse werden präsentiert und diskutiert, niemand ist abgelenkt wegen akuten Koffeein-und Nikotinentzugs – die Lehrkraft freut sich! Es ist kurz vor halb neun, die Lehrkraft freut sich gar nicht mehr und sendet böse Blicke aus an diejenigen, die, obwohl wir uns mitten im Unterrichtsgespräch befinden, meinen, bereits ihre Tasche packen zu müssen. Es kommt noch schlimmer: Die Taschen werden von nun an heimlich gepackt, das macht die Lehrkraft noch böser. So äußert sie nun in dem gehässigem Zickentonfall, für den sie bekannt ist: „Schreibt euch bitte die Hausaufgabe für Freitag auf.“ ? Ein kollektives Aufheulen setzt ein, Sätze wie „Wir schreiben nächste Woche eine Spanischklausur“, „Wir müssen unbedingt für Englisch lernen“ oder „Wir müssen uns auf 153 Vorstellungsgespräche und Einstellungstests vorbereiten“ werden durch den Raum gebrüllt. Ist klar, alles ist wichtig, nur Deutsch ist egal... Die Hausaufgabe wird trotzdem gestellt, und die Lehrkraft fragt sich, ob am Freitag wohl ein frustrierendes Ergebnis auf sie warten wird. Warum nur spuken ihr gleichzeitig noch andere Fragen im Kopf herum: Ist der Papst katholisch? Fällt Heiligabend auf den 24. Dezember? Habe ich dieselbe Brille wie Daniel Küblböck? Der Deutsch-LK 2, das sind:
Liebeleins, es war schön mit Euch !!!Frau Dittberner, 05/03/06 |