Montagmorgen, mitten im Ruhrgebiet. 06.00 Uhr. Ein Wecker klingelt. (Sch....!) Herr W. aus B. steht auf. Schlaftrunken schleppt er sich in sein Badezimmer, sieht in den Spiegel und denkt: „Wer ist dieser Typ in meinem Bad?“ Er fällt seinem eigenen Spiegelbild gegenüber einen schnellen und geradezu wagemutigen Entschluss: „Ich kenne dich zwar nicht, aber ich wasche dich trotzdem!“ 06.25 Uhr. Beim Versuch, etwas Licht in die bescheidene Behausung zu bringen, reißt ein Rollladengurt ab. (Sch....!) 06.30 Uhr. Herr W. sitzt halbwegs wach, geduscht und gekämmt (obwohl das nicht wirklich nötig wäre) am Frühstückstisch. Das Brot vom Vortag ist nicht mehr wirklich genießbar, der Aufschnitt quillt aus der Verpackung und beginnt, sich in gequälten Wellen um die Butterdose zu kringeln. Das Frühstücksei ist zu weich geworden. Herr W. bekleckert sich sein T-Shirt mit Eigelb. (Sch....!) An seinem Morgenkaffee hat er auch keine richtige Freude, denn er hat vergessen, ein Teelicht unter das Stövchen zu stellen, das sein liebstes Getränk warm zu halten geeignet gewesen wäre, hätte er es eben nicht vergessen.... (Sch....!) 06.45 Uhr. Die Zeitung hereingeholt... sie ist vom Regen klitschenass.... (Sch....!) 07.15 Uhr. Nach Überfliegen der wichtigsten Meldungen des Tages packt Herr W. seine Tasche: „...wen habe ich denn heute? Erste und zweite Stunde LK, und es ist Montag (Sch....!). Sie werden gewiss wieder in ganzen Heerscharen zu spät kommen, wetten? Na, egal, sie sind ja eigentlich alle ganz süß. Also: nicht gemeckert, Herr W.!“ 07.45 Uhr. Herr W. macht sich auf den Schulweg. 07.55 Uhr. Lassen wir von nun an Herrn W. selbst sprechen: „In der Bäckerei auf das ‚Schulmonster’ getroffen. Erstaunlicherweise nicht gleich auf die neue Lektüre doof angemacht worden! OK, der Tag könnte vielleicht doch noch etwas werden. Beim Betreten des Schulgebäudes quakt es neben mir verdächtig. Ich glaube es ja nicht, ‚die Ente’ ist tatsächlich einmal pünktlich?“ 08.00 Uhr. „Von 21 SchülerInnen sind ganze vier (!) anwesend. Allerdings nur physisch. Egal, ich beginne einfach mal mit dem, was man so landläufig Unterricht nennt. Komme allerdings nicht weit, ‚Tante H.’ verspürt das dringende Bedürfnis, ihrem Unmut bezüglich der Tageszeit, des anliegenden Unterrichtsvorhabens, meiner Anwesenheit und überhaupt auf temperamentvolle und lautstarke Weise Luft zu verschaffen. Ich frage mich nur: Warum muss ich das immer abbekommen? (Sch....!)“ 08.20 Uhr. „Immer noch vier (!) SchülerInnen anwesend! Wenigstens gehen sie mir nicht auf den Sack, sondern arbeiten!“ 08.22 Uhr. „Die ‚Mäusepolizei’ (B. und B.!) trifft ein. Anstatt sich jedoch sittlich und moralisch ins Schulleben einzufügen, werden die allmorgendlichen Knutschorgien nur für kurzfristig aufkommendes debiles Gelächter unterbrochen. Steven M. singt leise und melodisch vor sich hin und dirigiert sich dabei selbst. Na, toll!“ 08.35 Uhr. Eine erkleckliche Anzahl jugendlicher GanxXxta hat sich mittlerweile im Kursraum niedergelassen und verbraucht nicht eben geringe Mengen Sauerstoff. Ich frage mich allerdings, mit welchem Nutzen?“ 08.45 Uhr. 5 – Minutenpause. Zigarette. Kalt draußen. 08.50 Uhr. Zweite Stunde. Herr Prof. Dr. A. hat auch endlich ausgeschlafen, sein zweihöckriges Fortbewegungsmittel draußen am Geländer angebunden und gibt sich die Ehre, uns mit seiner Huld zu beglücken. Christian B. schwuchtelt noch ein wenig herum, geht aber trotzdem den Dingen nach, die ihm aufgetragen worden sind. Giftspritze Verena G. fehlt heute wohl ganztägig. OK, dann ist es etwas ruhiger. Steven M. hat mich mittlerweile doch anständig angeschissen. Wurde ja auch Zeit. Normalerweise wartet er damit nicht bis zur zweiten Stunde. Ein vom Wochenende reichlich gezeichneter junger Mensch namens Genia L. würgt einen unverständlichen Wortschwall hervor, den ich vorsichtshalber mit einem wohlwollenden Nicken quittiere. Ich will heute Morgen keine Konflikte! Bernhard G. lacht schon wieder, als hätte er nicht mehr alle Tassen im Schrank. Kübra K. kann zu meiner Verblüffung offensichtlich mit offenen Augen schlafen. Jessica E. tut dies mit geschlossenen Augen. (Frechheit!) Nathalie S. scheint ihre Krücken vergessen zu haben, sie sucht sie jedenfalls mit reichlich irrem Blick im Nirvana der deutschen Literaturgeschichte. Leonie F. kann sich mit beiden Händen unterschiedliche Notizen machen und gleichzeitig mündlich wertvolle Unterrichtsbeiträge leisten. Laura A. schreibt in geradezu provozierender Weise einhändig (nämlich Hausaufgaben ab). Freddi hat noch schlechtere Laune als sonst. Das mag daher rühren, dass ich noch nichts an die Tafel geschrieben habe, bei dem sie mich hätte korrigieren können. Sollte ich ihr diesen Gefallen vielleicht tun......... nein, heute nicht! Irgendjemand krakeelt herum, es sei zu kalt, ich möge doch bitte das Fenster wieder schließen. OK, also Fenster zu. Demet Y. missdeutet ihr eigenes hysterisches Gegeier als erste Symptome der Vogelgrippe, die sie sich vermutlich durch ein für die Jahreszeit ungeeignetes Beinkleid zugezogen hat! Stefanie W. schweigt zu alledem, während Jessica B. darum bittet, doch mal ein Fenster zu öffnen. Frederike Z. hockt sich zeternd und protestierend mit dem Allerwertesten an einen der warmen Heizkörper. Bernhard scheint jetzt in den Armen von Jenny Z. wirklich tief und fest zu schlafen. Wenigstens lacht er nicht mehr wie der Eichendorffsche Idiot! Björn K. ist verdächtig still, weil er mir noch Geld für die Lektüre schuldet. Annika S. ebenfalls. Genia brabbelt wieder mehr oder minder Gehaltvolles. Christian lässt kurzfristig absolut jeden an seinem Körper teilhaben. Demet gackert sich nun wie üblich alle zwei Minuten halbtot. Worüber sie lacht, weiß der liebe Himmel! Herr „Motzodecki“ verpasst mir einen weiteren ordentlichen Rüffel. Jenny stimmt ihm dabei kräftig zu. Freddy kann nur noch einen einzigen Satz von sich geben, und der lautet: ‚Mir ist kalt’. Also: Fenster wieder zu. Annika hat ihr Frühstück ausgepackt, schmatzt aber gottlob beim Essen nicht. Kübra ist aus Versehen nun doch ein Auge zugefallen. Jessica rülpst nach Genuss eines beachtlichen Schluckes aus ihrem Kaffeebecher vernehmlich. Bernhard gackert inzwischen mit Demet im Duett. Jenny versucht, ihn mit weiteren Streicheleinheiten zu beruhigen, bewirkt jedoch bei Bernhard nur noch hemmungslosere Anfälle von Gelächter, die nur von kurzem Beat–boxen unterbrochen werden. Na gut, ich kann’s nicht ändern. Genia ist zu Äußerungen auf der nunmehr rein lautlichen Sprachebene übergegangen. Stefanie W. schweigt zu alledem weiter beharrlich. Björn und Annika sind schon vor geraumer Zeit zu ihren Privatgesprächen übergegangen. Verena, genannt „Manni“, erscheint kurz vor Ende der zweiten Stunde. Ihr Gesichtsausdruck prognostiziert für die gesamte Region Mitteleuropa heftige Schneefälle und Dauerfrost. Demet, halt die Klappe! Nein, Leonie, ich weiß nicht genau, wann der Prager Fenstersturz war! Demet, halt endlich die Klappe, verdammt noch mal! Bernhard, bitte!!! Kübra, mach die Augen bitte ganz auf, ja? Stefanie? Wolltest du etwas sagen? Helga, hör auf zu quasseln, bitte! Demet!!!!! Wie? Ja, ist ja gut, ich mache das Fenster wieder auf! Was? Ich soll es schließen? Ach, so..... ja, mache ich, aber bitte, bitte, lieber Bernhard, hör endlich auf zu lachen!!!“ Ihr Lieben! So, wie ich es hier als Karikatur versucht habe darzustellen, war es nun weiß Gott nicht! (oder doch?) Nein, im Gegenteil! Euer Jahrgang war und ist in seinem ganzen Chaos und seinem alltäglichen Wahnsinn einfach große Klasse! Ich bin froh und glücklich, dass ich euch zwei Jahre lang auf die Nerven gehen durfte. Ihr seid eine tolle Truppe, bleibt fröhlich!!! „Thomas D“ Herr Winter, 24/02/06 |